Die verlorene Kunst des Sich-Unterhaltens – Warum echte Kommunikation Arbeit spart
Bei all den technischen Möglichkeiten, die uns heute zur Verfügung stehen, sollte man meinen, dass wir – privat wie auch beruflich – echte Profis im Thema Kommunikation sind, richtig? Falsch gedacht! Dazu eine kleine Anekdote aus meiner Zeit in Italien, die mich über die Bedeutung der Kommunikation in der Arbeitswelt nachdenken ließ: Morgens um 9:30 Uhr, auf dem beeindruckenden Gelände von Fiat in Turin, hallte die Frage eines Espresso-Verkäufers durch die weitläufigen Hallen: "Buongiorno caffè!" Die Türen der Büros flogen regelrecht auf, und die Verwaltungskollegen aus verschiedenen Abteilungen strömten zum Espresso-Wagen. Dieses morgendliche Ritual war für viele ein fester Bestandteil des Arbeitstages, und es symbolisierte mehr als nur die Liebe zum italienischen Kaffee. Es war die willkommene Möglichkeit für einen regen, persönlichen und abteilungsübergreifenden Austausch in hoher Lautstärke. In Deutschland ist mir so etwas bisher nicht begegnet. Warum? Weil wir Deutschen lieber mit E-Mails im digitalen Briefkasten versinken.
Die Kunst der Kommunikation ist ein Schlüsselaspekt für den Erfolg in der modernen Geschäftswelt. Als ich einige Zeit in der Einkaufsabteilung bei Fiat verbrachte, wurde mir klar, dass gezielte Kommunikation einen entscheidenden Faktor darstellt. Mein Kollege Pietro stellte mich vor, und innerhalb von zehn Minuten hatten wir im Team alle wichtigen Informationen ausgetauscht – völlig normal in Italien. Doch heutzutage sehen wir, wie in vielen Unternehmen – insbesondere in Deutschland – ein Großteil der Kommunikation über E-Mails oder Kurznachrichtendienste abläuft. Dabei geht viel verloren.
Der Verlust der persönlichen Kommunikation
In zahlreichen Unternehmen beobachte ich, dass Mitarbeitende es immer mehr zu verlernen scheinen, sich von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten. In einer Situation während meiner Tätigkeit als Interimsmanagerin im Einkauf eines Industrieunternehmens sah ich beispielsweise eine junge, top ausgebildete Einkäuferin, die eine Frage zum ERP-System in eine Suchmaschine eingab, anstatt direkt ihre Kollegen zu fragen. Auf meine Nachfrage, warum sie nicht einfach nachgefragt hatte, antwortete sie: "Ich möchte niemanden stören. Ich schaue lieber schnell im Internet nach."
Natürlich ist es nicht verkehrt, nicht wegen jeder Kleinigkeit nachzufragen und jemanden ständig aus der Konzentration zu reißen. Aber in diesem Moment wurde mir bewusst, dass viele Mitarbeitende die Fähigkeit verlieren, von Angesicht zu Angesicht mit ihren Kollegen zu sprechen und Fragen zu stellen. Anstatt den Hörer abzunehmen und eine kurze, klärende Konversation zu führen, wird eine endlose Reihe von E-Mails oder Chatnachrichten hin- und hergeschickt. Dies führt dazu, dass Zeit verschwendet wird und die Qualität der Kommunikation abnimmt.
E-Mail-Wahnsinn – Sinnvolle Absicherung oder verschwendete Zeit?
Ein weiteres Phänomen, das ich in vielen Unternehmen beobachte, ist eine wahre E-Mail-Absicherungskultur. Es herrscht eine besorgniserregende Abhängigkeit von E-Mails. Sie werden gedankenlos von einem Schreibtisch zum anderen geschickt, ohne jemals das Büro zu verlassen. Auch gibt es die berühmten "Absicherungsmails", die vor allem dazu dienen, jede Entscheidung akribisch zu dokumentieren, um sich im Nachhinein abzusichern. In dieser Praxis sehe ich Symptome einer negativen Fehlerkultur in Unternehmen. Mitarbeitende versuchen, jede Entscheidung und jede Abmachung schriftlich festzuhalten, um später darauf verweisen zu können, sollte es brenzlig werden. Das hat nicht nur negative Auswirkungen auf die Effizienz, sondern schränkt gleichzeitig die Innovationskraft des Unternehmens immens ein.
Höchste Zeit für echte Kommunikation!
Es ist höchste Zeit, die Balance zwischen elektronischer und persönlicher Kommunikation wiederherzustellen, um eine gesunde Arbeitsumgebung und eine förderliche Fehlerkultur zu schaffen. Wir müssen die Bedeutung der echten Kommunikation wieder in den Fokus zu rücken. Anstatt endlose E-Mail-Threads zu produzieren, sollten wir öfter das Headset aufsetzen und einfach per Videoanruf oder besser noch gleich persönlich den Sachverhalt klären. Echte Kommunikation spart enorm viel Zeit und verhindert, dass 20 E-Mails hin und her gehen, ohne dass das Problem gelöst wird.
In einer Zeit, in der wir von digitalen Werkzeugen umgeben sind, dürfen wir einfach nicht vergessen, wie wichtig die persönliche Kommunikation ist. Sie ermöglicht nicht nur eine bessere Zusammenarbeit, sondern steigert auch die Produktivität und spart Zeit. Unternehmen sollten die Entwicklung von Kommunikationsfähigkeiten unbedingt fördern und eine Kultur schaffen, in der Fragen gestellt und Konversationen geführt werden (dürfen). So können sie sicherstellen, dass ihre Mitarbeitenden nicht nur kommunizieren, sondern auch tatsächlich arbeiten.
Am Ende des Tages ist es nicht nur die Technologie, sondern es sind die Menschen und ihre Fähigkeit, miteinander zu sprechen, die den Erfolg eines Unternehmens ausmachen. Lassen Sie uns daher die Tastatur öfter beiseitelegen und die Kunst der Kommunikation pflegen. Es ist der Schlüssel zu einer effizienteren und erfolgreichen Arbeitswelt. Lassen Sie uns gerne darüber sprechen, via LinkedIn oder in einem kostenlosen Termin.
Weitere spannende Themen finden Sie außerdem in meinem Buch „Der Einkauf im Wandel: Innovativ und krisenfest die Zukunft gestalten“.
Mehr zu diesem und anderen Themen für zukunftssichere Strategien im Einkauf gibt es auch zum Nachhören in meinem Podcast.